Weltweit sind Menschen auf der Flucht -- wir kennen die Bilder aus dem Fernsehen. Was es jedoch heißt, sein Zuhause verlassen zu müssen und andernorts nicht willkommen zu sein, ist mir durch Anna Seghers Roman Transit klargeworden. Seghers verarbeitet darin ihr eigenes Flüchtlingsschicksal: Schon 1933 vor den Nazis aus Deutschland nach Paris geflohen, mußte sie 1941 auch Europa verlassen. Eindringlicher als andere Romane über diese Zeit, etwa Lion Feuchtwangers Exil oder Klaus Manns Der Vulkan, schildert Seghers die Angst der Flüchtenden und deren verzweifelte Suche nach einem Land, das bereit ist, ihnen Asyl zu gewähren. Im Zentrum des Romans steht ein aus dem KZ nach Frankreich Entflohener, der namenlos bleibt. Über Rouen und Paris gelangt er nach Marseille, das nach der Besetzung Frankreichs 1941 Sammelbecken für zahlreiche Emigranten wird. Gleichmütig beobachtet er zunächst die verzweifelten Versuche der Flüchtlinge, Visa, Transitscheine und Schiffstickets zu erhalten. Erst als er eine Frau kennenlernt beginnt er selbst die Odyssee von Behörde zu Behörde. Zermürbende Bittgänge zu zynischen Beamten, um rechtzeitig alle Papiere zu bekommen, bevor die "Montreal" ausläuft... Der Titel Transit ist dabei doppeldeutig -- damit ist nicht nur das wichtige Formular gemeint, mit dem andere Länder Flüchtenden die Durchfahrt erlauben, sondern auch der Zustand der Heimatlosigkeit. Ein Thema das leider auch am Ende dieses Jahrtausends aktuell bleibt -- ein lehrreiches Buch, für uns, die wir bequem und sicher in Mitteleuropa leben.--Gudrun Christoph "Transit gehört zu den Büchern, die in mein Leben eingreifen, an denen mein Leben weiterschreibt, so daß ich sie alle paar Jahre zur Hand nehmen muß, um zu sehen, was inzwischen mit mir und mit ihnen passiert ist."--Christa Wolf
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